Tiny Thor im Test: Warum ich trotz Retro-Musik von Chris Hülsbeck frustriert die Segel streiche (2024)

Kleiner Thor mit großem Werkzeug.

Eigentlich verdammt gutes Jump & Run, das auf gelungene Art nostalgische Gefühle weckt. Leider ist der Aufbau vieler Levels gleich aus mehreren Gründen frustrierend.

Und ich hatte mich schon darüber gewundert, warum mich ausgerechnet dieser Soundtrack so schwungvoll-verträumt in meine 16-Bit-Jugend zurückkatapultiert – bis ich realisiert habe, dass die Musik aus der Feder von Chris Hülsbeck stammt. Der hat also offenbar nichts verlernt. Auch wenn er nicht allein, sondern gemeinsam mit Fabian Del Priore komponiert hat, der mit etwa zwei Dritteln wohl den Großteil der Arbeit gestemmt hat und sogar stärker als Hülsbeck selbst auf die verträumte Nostalgie setzt.

Alle beide sorgen jedenfalls dafür, dass der feine Retro-Platformer stilvoll zum Leben erwacht. Tiny Thor gehört nicht zu den eindrucksvollsten Pixel-Protzern, ich fühle mich in dieser Auslegung der nordischen Mythologie aber sehr wohl. Was auch daran liegt, dass Protagonist und Story trotz des Namens nicht übertrieben verniedlicht wurden. Danke dafür!

Worum es geht? Der ausgebuffte Loki lockt Thor in eine Falle und kappt so die Verbindung zwischen Midgard und Asgard, um… na, was schon? Der will selbstverständlich Ragnarök auf die Welt der Menschen loslassen. Nur wenn man es schaffen sollte, vier Singasteinne aufzutreiben, um die Brücke zwischen den zwei Reichen wiederherzustellen, können Thor und seine Götterfamilie den Weltuntergang verhindern.

Um das zu erreichen, tut er in etwa 30 Levels daher das, was ein Held seiner Art nun mal tun muss: Er hüpft über Plattformen, klettert an Wänden entlang, rutscht Hänge herunter und kombiniert das Ganze, um sich gelegentlich auch gegen angriffslustige Kreaturen zu wehren.

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Das Besondere ist Thors Hammer, den er als Waffe nicht nur in die üblichen vier oder acht Richtungen schleudern kann, sondern überall dorthin, wohin der rechte Analogstick zeigt. Weil Mjölnir sogar an Wänden abprallt, schwingt man ihn also wie eine Flipperkugel auf die Köpfe von Gegnern oder durch enge Felsspalten, wo er versteckte Kristalle aufliest oder geheime Schalter aktiviert. Und erst, wenn er wieder bei Thor ankommt oder man ihn manuell zurückholt, beendet er seinen Flug.

Das ermöglicht in Verbindung mit Besonderheiten der jeweiligen Levels (Trampoline, Bumper wie auf einem Flippertisch und mehr) ein paar angenehm clevere Rätsel und kommt vor allem in den einfallsreichen Bosskämpfen zum Tragen. Für die hat sich das deutsche Studio Asylum Square nämlich einiges einfallen lassen, weshalb sie für mich neben der Präsentation zu den Höhepunkten zählen.

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Sammelt man ausreichend Kristalle, kauft man in Shops zudem kleine Upgrades, die Thor das Leben ein wenig leichter machen, ohne seine Fähigkeiten aber wesentlich zu verändern. So findet man an manchen Stellen etwa ein Herz, durch das er eine gewisse Anzahl an Treffern einstecken kann, ohne sofort zu sterben. Immer wenn er erwischt wird, kommt ihm das Herz allerdings abhanden und springt wild in der Gegend umher – und genau dieses Springen kann man durch ein Upgrade stark verringern. Erweitern kann man außerdem die kurze Zeit, die Thor nach einem Treffer unverwundbar ist.

Eine andere Art besonders seltener und oft besonders gut versteckter Kristalle ermöglicht nicht zuletzt den Zugang zu speziellen Herausforderungen: Levels, in denen man einen perfekten Run hinlegen muss, um überhaupt das Ende zu sehen. Alles in allem war ich über weite Strecken also durchaus begeistert in Midgard unterwegs…

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… wären da nur nicht die vielen, vielen Momente, in denen ich am liebsten ins Steam Deck gebissen hätte. Meine Güte, hat das Spiel manchmal einen geradezu zerstörerischen Flow! Ich habe die Suche nach den Singasteinnen zumindest mehrmals unterbrochen, weil ich keine Lust darauf hatte, schon wieder in eine Falle geschmissen zu werden, die man überhaupt nicht kommen sieht.

Mag sein, dass einige Hardcore-Helden das mögen. Ich kann damit nichts anfangen. Ich will eine Herausforderung sehen und mir dann gerne die Zähne daran ausbeißen. Aber eine ohnehin schon schwere Passage zu meistern, nur um im nächsten Raum sofort zu sterben und auch erst mal keinen Plan zu haben, was überhaupt zu tun ist, und deshalb beim Herausfinden mehrmals erneut zu sterben, wobei man jedes Mal erst die schwere Passage davor wiederholen muss… Mit so was kann man mich jagen.

Dass der Ärger darüber durch gelegentliche Fehler nur verstärkt wird, macht es ja nicht besser. So kann es zum Beispiel passieren, dass man nach einem langwierigen Abschnitt über eine Reihe von Bumpern an den nächsten Checkpunkt geflippert wird – und einen dieses automatische Herumspringen doch tatsächlich an eine tödliche Wand ballert. Es gibt auch eine Stelle, an der man bei mehreren Sprüngen über schmale Pfeiler einfach mitten in der Luft stirbt, falls man in einem bestimmten Moment abspringt.

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Warum muss jedes Herunterfallen auf einigen sehr kniffligen Strecken überhaupt mit dem Tod enden, anstatt dass man lediglich ein paar Meter zurücklaufen und es erneut versuchen dürfte? Wieso kann man von einer Kiste ins Wasser fallen (schwimmen kann Odins Sohn nicht), obwohl Thor normalerweise jede Bewegung wie daran festgeklebt mitmacht? Wenn das passiert, kurz nachdem man das eigentliche Hindernis endlich gemeistert hat, fühlt es sich wie eine besonders zynische Ohrfeige an.

Und es hilft übrigens auch nicht, dass die zusätzlichen Herzen beim Tod natürlich verloren gehen, man am Checkpunkt aber manchmal keine neuen bekommt. Tut man sich bei einer Aufgabe also beim ersten Mal schon schwer und stirbt deshalb, darf man es anschließend quasi nur mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad noch einmal versuchen.

Ne, das passt einfach nicht zusammen. Ich mag knackige Herausforderungen. Das dürfte kein Geheimnis sein. Aber hier habe ich nach etwa zwei Dritteln die Segel gestrichen – um mein eigenes Nervenkostüm zu schonen und weil es bockschwere Spiele gibt, in denen ich mich um einiges besser aufgehoben fühle.

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Tiny Thor im Test – Fazit

Nicht falsch verstehen: Dass Tiny Thor ein anspruchsvoller Plattformer ist, finde ich grundsätzlich klasse. Zumal Midgard ein bezauberndes Pixelreich mit tiefen Wurzeln in der Zeit 16 Bit großer Sprites, parallax scrollender Hintergründe und einer verträumten Musik ist, deren eigenwilliger Klang mich damals wie heute in die Welt der Spiele zieht. Das Hüpfen und Klettern ist angenehm präzise, Thors frei in alle Richtungen fliegender Hammer ermöglicht clevere Rätsel sowie einfallsreiche Bosskämpfe und die kleine Charakterentwicklung motiviert zum Sammeln versteckter Kristalle. Wäre die Art und Weise, mit der zahlreiche Herausforderungen ins Leveldesign eingebunden sind, nur nicht so spielerfeindlich! Mich frustriert es jedenfalls, wenn Thor in einen Raum kommt und sofort stirbt, weil man eine Gefahr überhaupt nicht kommen sieht und durch mehrmaliges Trial & Ableben auch erst mal herausfinden muss, was überhaupt gefragt ist – nur um anschließend durch einen kleinen Fehler gleich noch mal das Zeitliche zu segnen. Darüber lacht ihr nur? Immer zu. Freut euch auf einen sehr sympathischen, grundsätzlich gut spielbaren Plattformer! Ich bin dann aber mal wieder in Returnal oder den höheren Schwierigkeitsgraden von Doom Eternal unterwegs.

Tiny Thor
PROCONTRA
  • Wundervolle Pixelgrafik und schwungvoller Soundtrack
  • Präziser Platformer mit freiem Zielen der Waffe
  • Einfallsreiche Bosskämpfe und clever versteckte Extras
  • Viele Herausforderungen, die beim ersten Antreffen nicht zu bewältigen sind und unnötigerweise mit Thors Tod enden
  • Viele Checkpunkte liegen relativ weit vor eigentlichem Hindernis und bei wiederholten Versuchen oft keine zusätzliche Gesundheit
  • Gelegentliches Ableben durch kleine Programm- oder Fehler im Leveldesign

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Author: Ray Christiansen

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